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Jörgen Beckmann
Im Mittelalter unterschied man in der Gesellschaft Freie und
Unfreie. Bezogen auf die Funktion gliederte sich die
Gesellschaft in drei Stände. Die Zugehörigkeit zu den
einzelnen Ständen ergab sich ursprünglich aus sozialen
Unterscheidungen, wie der Herkunft, dem Besitz, der Bildung und
dem Beruf und war somit fließend. Doch im 12. Jahrhundert hatte
sich die Erblichkeit der Standeszugehörigkeit durchgesetzt.
Der
Adel
Kaiser,
Könige, Fürsten, Herzöge, Grafen und Edele bildeten den
Hochadel. Sie empfingen ihre Lehen direkt vom Kaiser bzw. König
und waren somit reichsunmittelbar.
Zum
niederen Adel zählte der Dienstadel. Er war nicht
reichsunmittelbar und seine Aufgaben bestanden darin, mit Pferd
und Rüstung an militärischen Aktionen des Hochadels
teilzunehmen und einfache Verwaltungsaufgaben als Ministerialen
und Drosten zu übernehmen. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts
war der Übergang vom Bauerstand in den niederen Adel und
umgekehrt fließend. Mit dem Reichslandfrieden von 1152 und 1186
wurde für den Adel die Ritterbürtigkeit festgeschrieben.
Der
Klerus
Der
Klerus hatte die Aufgabe, die christliche Religion zu lehren, zu
verbreitern, zu pflegen und zu überwachen. Sie hatten eigene
Gerichte und unterstanden nicht den weltlichen Gerichten. Die
Amtsträger der Kirche entstammten größtenteils dem Adel,
wobei die Bischofsämter und oft auch die Äbte der Klöster mit
nachgeborenen Söhnen des Hochadels besetzt wurden. Einige
Bischöfe waren gleichzeitig auch Fürsten und führten somit
auch weltliche Macht innerhalb ihres Gebietes aus.
Die
Bauern
Bei
den Bauern unterschied man drei Gruppen, und zwar die freien
Bauern, die hörigen Bauern und die unfreien Bauern.
Die
freien Bauern waren Eigentümer ihres Hofes, wurden nicht
bevormundet bei der Wahl des Ehepartners und unterstanden keinem
Grundherren.
Die
hörigen Bauern waren Erbpächter oder Pächter ihrer Höfe und
somit schollengebunden. Sie konnten auch Grund erwerben, der
jedoch beim Tod des Erwerbers ganz oder zum Teil dem Hofeigner
und dem Gerichtsherrn zufiel. Weiterhin hatten sie neben der
Pacht bei Heirat und beim Generationswechsel Sonderleistungen zu
erbringen und benötigten bei der Wahl des Ehepartners das
Einverständnis des Grundherrn bzw. des Vogtes oder
Schultheißen. Um der Willkür der Eigentümer und Verwalter
entgegenzuwirken, wurden innerhalb des Hofesverbandes die
Pflichten und Rechte der Hofesbauern in sogenannten Weisthümern
schriftlich fixiert.
Die
unfreien Bauern galten als Zubehör des Hofes und waren somit in
einem sehr hohen Maße vom Grundherrn abhängig und konnten von
diesem sogar verkauft werden.
Das
Bürgertum
Ab
dem 11.Jahrhundert errangen Städte ihre Freiheit und konnten
somit die Verwaltung und Gerichtbarkeit durch eigene
bürgerliche Organe ausführen. Die Voraussetzungen zur Aufnahme
in den Bürgerstand war Hausbesitz in der Stadt, die Ausübung
eines Handwerks oder Tätigkeit als Händler.
Ausgeschlossen
von der Ständeeinteilung waren unehelich Geborene, Unbehauste
wie Knechte, Mägde, Dienstboten und Bettler sowie Personen, die
ein unehrenhaftes Gewerbe ausübten wie Henker, Abdecker und
Prostituierte.
Der
Adel und Klerus verlangten immer einen festen Anteil an den
Pächten und so trugen die Bauern bei Branntschatzungen und
Ausraubungen ihrer Höfe durch Fehden des Adels und bei
Mißernten durch Hagelschlag, Dürre, Pflanzenkrankheiten und
Tierseuchen die ganze Last und das Risiko, d.h. in schlechten
Zeiten litten unter den drei Ständen die Bauern stets am
meisten. Weiterhin mußten die hörigen Bauern, und zu dieser
Gruppe gehörten die meisten Bauern, Mist- und Holzfahr- sowie
Pflug- und Erntedienste auf den Gütern des hiesigen Adels
leisten, so daß der Adel für die Bewirtschaftung seiner
eigenen Flächen nicht einmal eigenes Gerät und Zugvieh
benötigte, denn letzteres hatten die Bauern mitzubringen.
Die
Situation und die daraus resultierenden Spannungen des
Ständewesens der damaligen Zeit drücken die folgenden drei
Verse aus jener Zeit treffend aus:
„Dafür lob
ich den Bauersmann, der alle Welt ernähren kann. Er
läßt seinen Pflug streichen - wer kann sich mit ihm
vergleichen? Kein König wäre so edel, er hätte weder
Wein noch Brot. Was sie am Hofe an Vergnügen sich
leisten, das kommt von den Bauersleuten. Drum rat ich dir,
Ritter, gut - halte den Bauern in deiner Hut.“
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Bauernarbeit
trägt die Welt, österreichischen Spruchdichter Heinrich
der Teichner, 14. Jahrhundert |
„Während
das Streben der Beter, frei von weltlichen Geschäften,
auf Gott gerichtet ist, hat es den Kriegern zu danken,
daß es sich den heiligen Dingen in Sicherheit widmen
kann, und den Bauern, daß es durch deren Arbeit mit
leiblicher Nahrung versorgt wird. In gleicher Weise
werden die Bauern durch die Fürbitte der Beter zu Gott
erhoben und durch die Waffen der Krieger verteidigt.
Ebenso werden die Krieger unterstützt, indem sie von den
Erträgen der Felder ihre Verpflegung erhalten und durch
Besteuerung zu ihrem Sold kommen, und indem das Gebet der
Frommen die Gewalttaten ihrer Waffen sühnt.“
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Dreiständeregel
Kleriker, Gerhard von Cambrai, 11. Jahrhundert |
„Wer sollte
den Acker bestellen, wenn ihr alle Herren wäret? Unser
Herr hat jedem ein Amt verliehen, er hat niemanden zur
Untätigkeit erschaffen. Wir müssen uns alle einer
Aufgabe annehmen, damit wir unser Leben fristen. Ich habe
auch ein Amt: Predigen ist meine Aufgabe. Da unser Herr
alle Dinge mit Weisheit geordnet hat, so hat er auch das
Leben der Menschen geordnet und eingerichtet, wie er
will und nicht, wie wir wollen. Wollte mancher gern ein
Graf sein, so muß er doch ein Schuster sein. Wolltest du
gern ein Ritter sein, so mußt du doch ein Bauer sein und
für uns Korn und Wein bauen. Du mußt sein, was Gott
will.“
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Ermahnung an
die Bauern, ihre irdische Existenz gelassen zu ertragen,
Prediger Berthold von Regensburg 13.Jahrhundert aus: Peter
Arens, Wege durch die Finsternis, Europa im Mittelalter,
München 2004 |
b.
Zum Verständnis der damaligen bäuerlichen Situation im
hiesigen Gebiet
Während
des 9. bis 14.Jahrhunderts gingen die meisten Hevener Höfe
durch Schenkungen der Kaiser, der Erzbischöfe von Köln, der
Grafen und hiesiger Adeliger in das Eigentum der Klöster
Werden, Kaufungen, Gevelsberg und Deutz sowie des Stiftes Essen
über. Zum einen erfolgten viele Hof-Schenkungen an die Kirche
als Mitgift beim Klostereintritt von Familienmitgliedern und zum
anderen zum „Seelenheil“ Verstorbener.
Der
Oberhof Dönhof und dessen Unterhöfe waren im Besitz der Grafen
von Arnberg, der Zurnedden-Hof den Herren von Reifferscheid,
Bedburg und zur Dicke und die später wohl auf Markenland
eingerichteten Hofstellen Blumenau und Fischenberg nannten die
Freiherren von Elverfeldt zu Herbede ihr Eigen.

Die
Unterhöfe hatten ihre Pacht an den jeweiligen Oberhof, der von
einem Schulten bzw. Meyer bewirtschaftet wurde, abzuführen. Die
Verwaltung des Hofesverbandes unterstand einem Schultheißen.
Während der Schulte oder Meyer dem bäuerlichem Stand
angehörte, war das Schultheißenamt mit Angehörigen des
niederen Adels besetzt. Durch die Verteilung der Unterhöfe auf
verschiedene Orte versuchten die Eigentümer, ihr Risiko zu
streuen, denn Mißernten sowie Felder- und Höfeverwüstungen
durch Fehden fanden ja nicht gleichzeitig überall statt.
Als
Verwalter ihres Grundbesitzes setzten die Klöster und Stifte
einen Vogt ein. Dieser verlangte für seine Dienste ein Entgelt.
Da der Vogt eine Person sein mußte, die die militärische Macht
haben und in der Lage sein mußte, den Besitz des Klosters bzw.
Stiftes zu schützen und die Pacht sicher zu ihrem Zielort
anzuliefern, kamen für diese Funktion nahezu nur Grafen und
Fürsten in Frage. (Hier waren es die Grafen von Isenberg bzw.
von der Mark)
Zählt
man die an der Hevener Mark berechtigten Querenburger Höfe mit
zu den Hevener Bauern, so waren im späten Mittelalter bis auf
Overberg, der bis 1513 ein freier Bauer war, alle hörige
Bauern. Mit der Herauslösung des Gerichtes Herbede aus dem Amt
Bochum um 1311, wurden im Westen der Ölbach und im Norden der
Hemeckebach in Kleinherbede als Grenze festgelegt und das
Herbeder Kirchspiel diesen Grenzen angepaßt.
Die
Höfe hatten etwa die Hälfte ihrer Ernte abzuliefern. Ein
Drittel der Abgaben teilten sich der Grundherr, Vogt und
Schultheiß. Der Schultheiß erhielt ebenfalls Abgaben bei der
Hochzeit und beim Tod des Bauern und der Bäuerin. Seitens des
Schultheißen wurde ein Hof nur an ein Ehepaar in Pacht oder
Erbpacht gegeben, d.h. zu vier Händen. Zusätzlich der oben
genannten Pachtabgaben hatten die Bauern den sogenannte „Zehnt“,
der ursprünglich eine flächengebundene Kirchenabgabe war,
aufzubringen. Dieser entsprach einem Zehntel der jeweiligen
Ernte auf diesen Parzellen. Die Kirche (der Erzbischof) hatte
diese Zehnten zum Teil an Klöster verschenkt und auch oft aus
Geldnot an Privatpersonen (Adelige) veräußert. Eine weitere
Belastung der Bauern lag in der Bereitstellung von Pferden für
den Schultheißen im Kriegsfall und in den Steuern
(Türkensteuern 1542, 1598 usw.) des Landesherrn, die zur
Anwerbung von Söldnern zur Abwehr von Feinden benötigt wurden.
Doch am meisten litten die Bauern bei kriegerischen
Auseinandersetzung durch durchziehende Heere, die ihnen nahezu
die gesamten Vorräte und das Vieh raubten.
Bauernaufstände
gab es im hiesigen Gebiet nicht, woraus wir folgern können,
daß die Belastungen, die die Bauern zu tragen hatten, hier noch
erträglich waren. Ein Grund dafür dürfte die nahegelegene
freie Reichsstadt Dortmund gewesen sein, in die die
überforderten Bauernfamilien des nachts hätten flüchten
können. Eine Abwanderung hiesiger Bauern nach Dortmund war
jedoch nicht festzustellen.
Drosten
waren Amtsvorsteher, die seitens des Landesherrn zur Verwaltung
eingesetzt wurden. Sie entstammten dem hiesigen niederen Adel
und waren unter anderem in Hagen, Wetter, Blankenstein, Bochum
tätig.
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